Sehr geehrter Herr G.,
herzlichen Dank, dass Sie mich auf die Veröffentlichung Ihres Artikels noch einmal aufmerksam gemacht haben. Das Ereignis selbst wie auch die hervorgerufenen Reaktionen sind leider im Trubel der letzten Wochen untergegangen – dafür entschuldige ich mich innigst!
Umso mehr freut es mich aber, dass ich die Lektüre sehr genießen und in der Tat viele spannende, aufschlussreiche Gedanken finden konnte. Es liegt natürlich bereits in der Natur der Sache, dass eine männliche und zudem reifere Stimme zu aktuellen feministischen Debatten aufgrund ihrer Rarität besondere Aufmerksamkeit verdient. Daher freut mich die gewonnene Resonanz, die vielleicht auch andere motivieren mag.
Inhaltlich möchte ich jedoch eine kurze Anmerkung vornehmen:
Was mich in der Tat etwas verwunderte, waren Ihre Ansichten zur Frauenquote. Sie schreiben „Durch eine Frauenquote müssen sich alle Frauen, den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie Ihren Job nicht wegen ihrer Qualifikation, sondern aufgrund ihres Geschlechts bekommen haben.“ und sehen darin ein Argument gegen eine gezielte Förderung bis in allen Führungspositionen eine 50/50 Quote erreicht ist.
Dieses Argument ist geradezu populär und erhält in Debatten dieser Art oft den höchsten Stellenwert. Im ersten Moment klingt es plausibel. Mich persönlich stört daran, dass dieses scheinbar so starke und schneidige Argument so viele Zwischenschritte impliziert, dass es – sobald man diese alle ausführt – in Absurdität versiegt. Damit meine ich Folgendes …
Wenn wir eine Frauenquote umsetzen würden, was vermutlich noch ziemlich lange dauern würde, dann könnte es sein, dass es unter Umständen zu wenig qualifizierte Frauen gäbe. In diesem Fall wäre man genötigt – um der Quote Willen – Stellen mit weniger qualifizierten Frauen aufzufüllen. (Somit hätten nicht mehr nur unqualifizierte Männer gute Stellungen, zu denen sie oft auch nur aufgrund ihres Geschlechts gekommen sind, sondern auch Frauen.)
Dann wiederum würde ein bestimmter Zeitraum vergehen, nachdem man feststellen müsste, dass bestimmte, neu eingestellte Frauen in bestimmten Berufen zu schlecht arbeiteten. Dann könnte es sein, dass bestimmte Männer sich zu dem Vorwurf, das zu viele unqualifizierte Frauen gute Stellen hätten, veranlasst sähen.
Und schließlich, könnte es wiederum – jetzt im ca. sechsten oder siebten Konjunktiv – passieren, dass manche dieser Frauen den Vorwurf psychisch-seelisch nicht aushalten würden. Eventuell würde es sie aber auch gar nicht stören, genauso wenig wie es unqualifizierte Männer nicht unbedingt stört, auf zu hohen Stühlen zu sitzen!?
Ich frage mich nur, Herr G., ob – sollte dieser siebte Konjunktiv eintreten – nicht dann die Frauen selbst entscheiden sollten, ob sie sich zu Unrecht bevorzugt sähen. Ich meine, es ist wirklich höflich von Ihnen und allen anderen Männern, die so vorausschauend denken und Frauen vor deren eigenem Empfinden beschützen möchten. Aber meinen Sie nicht, dass das etwas zu viele Konjunktive sind, um eine Aussage als Argument gelten zu lassen
Mit dieser Frage verabschiede ich mich und erwarte gespannt Ihre Antwort.
Mit herzlichsten Grüßen
Ihre Frau G.